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Prof. Dr. Gisela Szagun: Wie Sprache entsteht
Spracherwerb bei Kinder mit beeinträchtigtem und normalem Hören
Buchtipp von Karin Kestner 09.06.2002
Studie zum Spracherwerb von 22 hörenden und 22 cochlea-implantierten Kindern
Zur Person:
Gisela Szagun ist Professorin an der Universität Oldenburg und lehrt dort Entwicklungs- und Kognitionspsychologie Sie gilt als renommierteste Spracherwerbsforscherin Deutschlands.
Zitate aus dem Buch:
Die vorliegende Studie ist so mit die erste, die eine theoretische und methodisch fundierte Einschätzung des Nutzens der Cochlea-Implantation für den Spracherwerb erlaubt.
Auszüge aus der Bewertung der Ergebnisse für die Praxis:
Eine technische Errungenschaft oder eine wissenschaftliche Erkenntnis findet in einer Gesellschaft statt, die zu einem bestimmten geschichtlichen Zeitpunkt bestimmte Werte hat. Das Cochlea-Implantat kommt in eine Zeit, in der man dazu neigt, die Leistungen, die von elektronischen Errungenschaften zu erwarten sind, zu übertreiben. Selbst seriöse Fernsehsender bringen Berichte über das Cochlea-Implantat, die dieses als Wunderwerk erscheinen lassen. So werden Kinder gezeigt, die ein Wort nachsprechen, und dem folgt prompt, dass diese Kinder nun Sprache erworben haben. Was das Nachsprechen eines Wortes mit dem Erwerb einer Sprache zu tun hat, wird nicht erörtert…
…. Der Glaube, dass Technik menschliche Erkenntnisleistungen ersetzen kann, besitzt große Anziehungskraft. In einem kulturellen Umfeld ist das Cochlea-Implantat zum Erfolg verdammt. Und wonach wird der Erfolg bemessen?…
Die Terminologie „Sprache“ und „Sprachentwicklung“ wird in Studien mit cochlea-implantierten Kindern nicht einheitlich verwendet. So wird in manchen Untersuchungen cochlea-implantierten Kindern von Erfolg und Zuwachs in der Sprache gesprochen, wenn das Nachsprechen von Wörtern und das Identifizieren von Lauten oder Wörtern untersucht wurde. (Lesinski-Schiedat, Illg, Haar-Heise, Battmer, Lenarz, 1999; Illg, Haar-Heise, Battmer, Horsch, Lenarz, 1999) Da aus Ergebnissen dieser Untersuchungen auch auf die Sprachentwicklung bei Kindern mit Cochlea-Implantat geschlossen wird und sogar diesbezüglich Prognosen erstellt werden. (Lesinski-Schiedat et al., 1999) ist es wichtig, im einzelnen darzulegen, warum der Bezug zur Sprachentwicklung der Kinder nicht ohne weiteres gegeben ist. Dazu muss man sich ansehen, was die in den Untersuchungen verwendeten Aufgaben messen. In einer Aufgabe werden Kinder aufgefordert, Wörter und Sätze unmittelbar nachzusprechen (Lesinski-Schiedat et al., 1999; Illg et al., 1999) Das Nachsprechen von Wörtern und Sätzen mißt die Fähigkeit des Kindes zur Nachahmung oder Imitation sprachlicher Stimuli. Kinder können Sprache imitieren, Erwachsene können Sprache imitieren, Papageien können Sprache imitieren. Diese Fähigkeit ist eine wichtige Errungenschaft. Aber man kann aus der Verbesserung dieser Fähigkeit nicht auf einen Erfolg beim Spracherwerb schließen.
Je früher implantieren umso besser?
Aus praktischer Sicht ist wohl eine zentrale Frage, bis zu welchem Alter eine Cochlea-Implantation durchgeführt sein muss, damit ein lautsprachlicher Erwerb der Sprache noch zu erwarten ist. In der vorliegenden Untersuchung haben wir den Spracherwerb von 22 Kindern untersucht, die zwischen 1;2 und 3;10 (Jahre; Monate) operiert wurden. Bei diesen sehr jungen Kindern hatte das Lebensalter zum Zeitpunkt der Implantation nur eine geringe Auswirkung auf die spätere Sprachentwicklung der Kinder. Aus unseren Ergebnissen kann man den Schluß ziehen, daß ein natürlicher Spracherwerb möglich ist, wenn Kinder vor dem Alter von 4 Jahren implantiert werden, daß aber das Lebensalter alleine nicht den späteren Erfolg beim Spracherwerb prognostiziert, sondern der sprachliche Fortschritt von vielen Faktoren abhängt.
….Die Auffassung, dass allein eine frühe Implantation, d.h. vor dem Alter von 2 Jahren, eine nahezu normale Sprachentwicklung realistisch erwarten läßt (Lesinski-Schiedat et al., 1999) wird durch unsere Ergebnisse nicht gestützt…..
Lautsprache um jeden Preis?
Wir haben gesehen, daß mehr als die Hälfte der Kinder in unserer Stichprobe trotz eines jungen Implantationsalters keinen Spracherwerb hatten, der dem natürlichen ähnelt. Wenn es dreieinhalb Jahre dauert, bis ein Kind Sätze mit einer durchschnittlichen Länge von zwei bis drei Morphemen produziert, dann stellt sich die Frage, ob diese über lange Zeit stark eingeschränkte sprachliche Fähigkeit Rückwirkungen auf andere Bereiche der geistigen Entwicklung haben kann…..
…Es hilft aber auch zu sehen, daß das Sprachangebot der Eltern nicht Unmögliches leisten kann. Eltern können in bestimmten Grenzen fördern, wobei die Grenzen in jedem individuellen Fall anders und nicht von vorneherein klar erkennbar ist.
Diese Zitate wurden mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin Gisela Szagun veröffentlicht. (Karin Kestner)
Bezug über den Buchhandel ISBN: 3-407-22103-7 Preis: 14,00 Euro
Lesen Sie hier ein Interview mit Frau Prof. Dr. Gisela Szagun